Wie der Toronto Star berichtet, wird die kanadische Sterbehilfe voraussichtlich schon 2025 weltweit führend sein, was die Zahl der Todesfälle durch medizinische Todesspritze MAID angeht.
Das Investigative Journalism Bureau und der Toronto Star analysierten Daten aus allen 11 Ländern, in denen es die medizinische Todesspritze MAID gibt, und fanden heraus, dass die Zahl der Kanadier, die aufgrund des MAID-Programms sterben, „mit einer Geschwindigkeit gewachsen ist, die jede andere Nation der Welt übertrifft“.
„Einige Experten sehen in dem rasanten Anstieg einen Triumph der Menschenrechte, der es den Kanadiern ermöglicht, mit voller Unterstützung des Staates und ihrer Ärzte selbst zu entscheiden, wann sie die kanadische Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Andere befürchten, dass Versäumnisse im Gesundheitssystem und im sozialen Sicherheitsnetz zu diesem Anstieg beim Schrei nach der Todesspritze geführt haben“, heißt es in dem Bericht.
Im Jahr 2022 machten assistierte Todesfälle 4 Prozent aller Todesfälle in Kanada aus – ein Anstieg von 1 Prozent im Jahr 2017, als das MAID-Programm, das Sterbehilfe erlaubt, zum ersten Mal in Kraft trat. Seitdem hat sich die Zahl der MAID-TTodesspritze „vervierfacht“ und lag 2022 landesweit bei 13.000, „ein Sprung von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, heißt es in dem Bericht.
Laut Dying with Dignity Canada, einer Organisation, die sich für den assistierten Suizid einsetzt, kann die Todesspritze MAID auf zwei Arten verabreicht werden: entweder durch einen Arzt oder eine Krankenschwester oder durch Selbstverabreichung, nachdem die tödliche Substanz von einem Arzt oder einer Krankenschwester verschrieben wurde.
Laut der Website der kanadischen Regierung müssen Personen, die eine MAID erhalten möchten:
- 18 Jahre alt oder älter sein und über Entscheidungsfähigkeit verfügen.
- Anspruch auf öffentlich finanzierte Gesundheitsdienste haben.
- einen freiwilligen Antrag stellen, der nicht auf äußeren Druck zurückzuführen ist
eine informierte Zustimmung zum Erhalt von MAID geben, d. h. die Person hat dem Erhalt von MAID zugestimmt, nachdem sie alle für diese Entscheidung erforderlichen Informationen erhalten hat. - an einer schweren und unheilbaren Krankheit oder Behinderung leiden (ausgenommen psychische Erkrankungen)
- sich in einem fortgeschrittenen Stadium der unumkehrbaren Verschlechterung der Leistungsfähigkeit befinden
- dauerhaftes und unerträgliches körperliches oder psychisches Leiden, das nicht unter Bedingungen gelindert werden kann, die die Person für akzeptabel hält
Die Analyse zeigt, dass in den letzten zwei Jahren mehr Menschen durch die kanadische Sterbehilfe mit ihrer staatlich zugelassenen Todesspritze MAID mehr Menschen ins Jenseits befördert hat als in jedem anderen Land der Welt.
„Wir haben einen Weg eingeschlagen, den kein anderes Land auf der Welt gegangen ist“, so Dr. Sonu Gaind, Leiter der Psychiatrie am Sunnybrook Hospital, gegenüber der Presse. „Wir wissen nicht, wie sich das in vollem Umfang auswirken wird“.
Laut Aussage des Gutachtens wird Kanada bereits im nächsten Jahr weltweit an der Spitze der MAID-Todesfälle stehen, obwohl andere Länder schon seit Jahrzehnten über entsprechende Gesetze verfügen.
Die Niederlande haben mit 5,1 Prozent die höchste Rate an ärztlich assistierten Todesfällen weltweit, und das Verfahren ist dort seit mehr als zwei Jahrzehnten legal, heißt es in dem Bericht. Zum Vergleich: „Einige kanadische Provinzen liegen bereits darüber“, heißt es in dem Papier, wobei die Sterberate durch die Todesspritze in Quebec im Jahr 2022 bei 6,6 Prozent und in British Columbia bei 5,5 Prozent liegen wird.
Die assistierten Todesfälle in den Niederlanden erreichten innerhalb von 14 Jahren 4 Prozent aller Sterbefälle, während dies in Kanada innerhalb von sechs Jahren der Fall war“, heißt es in dem vorliegenden Dokument.
Es gab keine schleichende Entwicklung. Sondern es gab eine Klippe. Wir fallen von ihr herunter. Ich mache mir Sorgen darüber, was das über unsere Gesellschaft aussagt“, so Gaind.
Gaind bezeichnete den Aufwärtstrend als Warnsignal dafür, dass Patienten sich tatsächlich für den Tod entscheiden, weil sie keinen Zugang zu der Pflege haben, die sie benötigen, um ihr Leben lebenswerter zu gestalten, heißt es in dem Report.
„Ich bin besorgt über die marginalisierten Leben, die verloren gehen werden“, erklärte er. „Wir haben ihnen nicht die Chance gegeben, in Würde zu leben, aber wir sind nur allzu bereit, ihnen zu erklären: ‚Oh, hier ist der Weg zu einem Sterben in Würde.'“
Dr. Scott Kim, ein Psychiater und Forscher an den National Institutes of Health in Washington, DC, der die internationalen Sterbehilfequoten untersucht und die Daten von IJB/Star überprüft hat, erklärte in der Veröffentlichung, dass das kanadische MAID-Programm einzigartig ist, weil die kanadische Sterbehilfe im Gegensatz zu anderen Ländern nicht als letzter Ausweg angesehen wird.
„Es lässt den Ärzten fast freie Hand, was sie tun sollen, wenn jemand eine Diagnose hat und damit unglücklich ist“, meinte er. „Dann verbindet man es mit einem sehr gut organisierten Versorgungssystem – dem Gesundheitssystem. Das gibt dem medizinischen und dem sozialpolitischen System einen Ausweg, wenn man die Menschen im Stich lässt.“
Kim hat sich insbesondere mit der kanadischen MAID-Gesetzgebung befasst und im Jahr 2020 sogar als Sachverständiger vor dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des kanadischen Senats ausgesagt. Er wies darauf hin, dass die Diskussion über die Einführung von MAID zumeist „hinter verschlossenen Türen stattfand, wo von der Regierung ernannte Ärzte und Anwälte darauf drängten, den Kanadiern einen breiten Zugang für die kanadische Sterbehilfe zu ermöglichen“, heißt es in dem Bericht.
„Die aggressive Philosophie der Umsetzung, in Abstimmung mit Interessengruppen und nicht mit einem breiten Input aus verschiedenen Perspektiven, war wirklich erstaunlich“, sagte er.
Der Toronto Star schätzt, dass der Anteil der Kanadier, die die kanadische Sterbehilfe in Anspruch nehmen, noch größer sein könnte, wenn der Gesetzgeber das Programm auf Menschen ausweitet, deren einzige Grunderkrankung eine psychische Störung ist.
Eine solche Ausweitung war für März geplant, doch der liberale Gesundheitsminister Mark Holland gab am Montag bekannt, dass Kanada nicht bereit sei, sein MAID-Programm auf psychisch Kranke auszuweiten. Dies ist das zweite Mal, dass die Trudeau-Regierung die umstrittene Ausweitung des Programms verzögert.
Holland sagte, trotz der Bedenken der Provinzen habe die Regierung ihre Überzeugung nicht geändert, dass psychisch Kranke das Recht haben sollten, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen. Die Frage ist vielmehr eine Frage der Bereitschaft“, sagte er. Der Toronto Star stellte fest, dass jeder fünfte Kanadier von psychischen Problemen betroffen ist“.
Kanadische Sterbehilfe: „Weltweit führend“ bei der „Todesspritze“? Was sagt das über eine Gesellschaft aus wenn, 31 % aller Verstorbenen mithilfe einer „Todesspritze“ aus dem Leben befördert werden?
Lesen Sie den vollständigen Bericht hier.
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